10 Jahre Schülerpatenschaften im Bildungsnetzwerk
Andreas Voßeler von Willkommen-in-München.de traf sich mit Yvonne Möller (YM), Leiterin des Bildungsnetzwerks zum Interview. In ihrem Gespräch lassen sie nicht nur die vergangenen zehn Jahre Revue passieren, sondern geben auch Einblicke in den Ablauf einer Patenschaft.
Willkommen-in-München.de: Yvonne, das Bildungsnetzwerk wird dieses Jahr 10 Jahre alt. Ein Schwerpunkt der Arbeit sind Schülerpatenschaften mit Jugendlichen. Welche Jugendliche werden unterstützt?
YM: Durch die Schülerpatenschaften des Bildungsnetzwerks werden männliche und weibliche Jugendliche ab der 8. Klasse unterstützt. Die 14/15-jährigen haben die Möglichkeit, eine Patenschaft einzugehen, um während den letzten 1,5 Jahre ihrer Schulzeit und auch beim Übergang in eine weiterführende Schule oder eine Ausbildung unterstützt zu werden. Die Schülerpatenschaften sind ein Angebot für alle Jugendlichen, egal welcher Nationalität. Aufgrund der Situation in München werden die Patenschaften seit 2015 hauptsächlich von Jugendlichen mit Fluchthintergrund in Anspruch genommen.
Willkommen-in-München.de: Was sind die Herausforderungen von Jugendlichen in dem Alter? Wozu benötigen Jugendliche diese Patenschaften?
YM: Jugendliche in diesem Alter sind in einer starken körperlichen und psychischen Entwicklungsphase. Vieles ist neu für sie. Wenn in dieser Zeit Jugendliche zusätzliche Herausforderungen im privaten Bereich haben, kann das zu Problemen beim Berufseinstieg und zu Schwierigkeiten bei der Integration in den Arbeitsmarkt führen. Jugendliche mit Migrations- und Fluchthintergrund sind zusätzlich benachteiligt, weil ihnen ihre Eltern aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse häufig nicht beim Lernen auf Prüfungen oder beim Schreiben von Bewerbungen helfen können. Eine Patenschaft in diesem Alter ist da eine starke Stütze.
Willkommen-in-München.de: Was war der Anlass der Gründung des Bildungsnetzwerks vor 10 Jahren? Warum wurde es ins Leben gerufen?
YM: In Gesprächen mit Organisationen und Einrichtungen, die mit Jugendlichen arbeiten, ist klar geworden, dass es in diesem Bereich einen großen Unterstützungsbedarf gibt, der durch den Einsatz von Freiwilligen verbessert werden könnte. Zwar gab es damals auch schon Schulsozialarbeiter, diese haben es jedoch aufgrund des hohen Bedarfs nicht geschafft, die ganzen Schüler so zu betreuen, wie es notwendig gewesen wäre.
Sehr motivierend war dann zu sehen, wie schnell sich die Jugendlichen positiv entwickelt haben in den Patenschaften. In den Patenschaften profitieren aber immer beide Seiten. Die Freiwilligen freuen sich sehr und es motiviert sie zu sehen, wie ihre Schützlinge sich positiv entwickeln.
Willkommen-in-München.de: Wie läuft eine Patenschaft ganz praktisch ab? Wie startet eine Patenschaft, wieviel Zeit müssen Freiwillige mitbringen und wie sehen die Aufgaben eines Paten/einer Patin konkret aus?
YM: Die Patentandems werden über den ganzen Verlauf einer Patenschaft unterstützt. Am Anfang sind wir vom Caritas Freiwilligen-Zentrum beim Erstgespräch mit dabei. Beiden Seiten wird nochmal erklärt, worauf es ankommt bei einer Patenschaft und beide unterschreiben eine Vereinbarung, wie sie die Patenschaft vom Rahmen her gestalten wollen. Inhaltlich trifft sich die Patin oder der Pate einmal pro Woche mit der oder dem Jugendlichen für ca. 2 Stunden und unterstützt ihn oder sie bei allen anfallenden Anliegen: Lernen, Hausaufgaben, Selbstbewusstsein, Motivation, Berufsfindung (welcher Beruf passt zu mir?), München kennen lernen, Bewerbungen schreiben etc. Informationen bekommen Jugendliche oft auch von Schulen, Berufsinformationszentren oder Jugendinformationszentren, aber es bleibt dann die Frage offen „was mache ich jetzt mit den ganzen Informationen“. Häufig sind es sehr einfache Dinge, die der oder dem Jugendlichen aber eine große Sicherheit geben.
Willkommen-in-München.de: Was ist, wenn Jugendliche größere soziale Probleme haben und die Patin oder der Pate keine Lösung wissen?
YM: Die Patinnen und Paten können sich jederzeit ans Caritas Freiwilligen-Zentrum München-Ost wenden. Hier gibt es professionelle Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, die bei schwierigeren Dingen weiterhelfen können.
Willkommen-in-München.de: Was sollten Freiwillige mitbringen, die sich für eine Patenschaft interessieren?
YM: Wichtig ist, dass potentielle Patinnen oder Paten selbst berufstätig sind oder – bei Menschen im Ruhestand – bis vor ca. 5 Jahren berufstätig gewesen waren. Freiwillige sollten noch einen Bezug zum Arbeitsmarkt haben und wissen, worauf es ankommt beim Berufseinstieg, damit sie den Jugendlichen helfen können. Wichtig ist, dass beide Seiten – Patinnen/Paten und Jugendliche – gut miteinander klarkommen und sich gut verstehen. Eine Patenschaft kann durchaus zwei bis drei Jahre dauern, daher sollten Freiwillige die generelle Bereitschaft zu einem längeren Engagement haben. Einmal pro Quartal gibt es ein Patentreffen mit Austausch, einmal im Jahr gibt es einen gemeinsamen Ausflug mit allen Patentandems und auch ein Dankeschön-Essen findet einmal im Jahr statt.
Willkommen-in-München.de: Wie hat sich das Bildungsnetzwerk in den 10 Jahren entwickelt?
YM: In den ganzen Jahren ist es sehr gewachsen. Inzwischen gibt es im Bildungsnetzwerk 60 Patentandems in ganz München. Leider fehlen aktuell die finanziellen Kapazitäten um es weiter auszubauen bzw. voran zu bringen. Das Bildungsnetzwerk ist in keiner Regelförderung, obwohl Anträge ans Sozialreferat dazu gestellt wurden. In der Vergangenheit mussten jedes Jahr neue finanzielle Möglichkeiten gesucht werden, um das Bildungsnetzwerk weiter zu finanzieren. Das ist die nicht so schöne Seite.
Die schöne Seite ist, dass man so unglaublich viel Positives zurück bekommt von den Patentandems. Man sieht einfach, dass die Patenarbeit Früchte trägt. Die Anfragen von Seiten der Jugendlichen (vor allem mit Fluchthintergrund) werden immer mehr und wir benötigen aktuell unbedingt wieder mehr Freiwillige, die bereit sind eine solche Patenschaft ein zu gehen.
Bei den Jugendlichen fallen mir gerade zwei Beispiele ein, in denen die Patenschaft kurz vor dem Qualifizierenden Hauptschulabschluss begann und inzwischen die Fachoberschule besuchen, um anschließend studieren zu können. Ein anderer Jugendlicher, der als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland kam, hat zu mir gesagt: „Durch die Patenschaft kann ich mir jetzt meine Zukunft vorstellen“. Solche Sätze machen mich sehr froh und zeigen mir, dass die Patenschaften wirken.
Willkommen-in-München.de: An wen können sich interessierte Freiwillige wenden, die sich weiter informieren wollen?
YM: Interessierte Freiwillige können sich per Mail direkt ans Caritas Freiwilligen-Zentrum München-Ost wenden fwz-ost [at] caritasmuenchen.de oder unter 089 – 92 00 46 30 anrufen.
Willkommen-in-München.de: Vielen Dank für das Interview.