Aktuelles aus München
Stephan Dünnwald hat im Wohn- und Kulturzentrum Bellevue di Monaco das Projekt "Refurbish for Refugees"

Wie es Geflüchteten in der Pandemie geht - und was München besser machen könnte

Der Soziologe Stephan Dünnwald über aktuelle Herausforderungen bei der Betreuung und darüber, wie die Politik helfen könnte.

Der Soziologe Stephan Dünnwald beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Flucht, Migration und Integration. Heute ist der 58-Jährige einer von drei Vorständen im Münchner Wohn- und Sozialprojekt Bellevue di Monaco und arbeitet daneben im Bayerischen Flüchtlingsrat. Die Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco bietet Geflüchteten Wohnraum in drei sanierten Häusern an der Müllerstraße. Dort gibt es zahlreiche Integrationsprojekte, Informationsveranstaltungen und Diskussionsrunden. Beim Gespräch sitzt Dünnwald im Infocafé des Bellevue di Monaco, hier arbeiten auch Geflüchtete in der Küche und im Service.

SZ: Seit Sommer 2018 leben etwa 40 Menschen mit Fluchthintergrund im Wohn- und Kulturprojekt Bellevue di Monaco, darunter sind auch viele junge Leute. Wie schwierig ist es, sie in Ausbildung oder in einen Job zu bringen?

Stephan Dünnwald: Das ist im Wesentlichen eine ausländerrechtliche Frage. Wenn die Ausländerbehörde eine Arbeitserlaubnis erteilt, dann bekommt man in der Regel auch einen Platz. Die Wirtschaft sucht schließlich händeringend nach Arbeitskräften, ob als Lehrlinge, Fachkräfte oder auch als Ungelernte. Von den Leuten, die bei uns leben, machen ein paar eine Lehre, teilweise gehen sie in die Schule, einige absolvieren gerade ihre Deutschkurse. Einer lernt gerade Konditor bei Rischart. Er will danach sogar noch eine Kochlehre dranhängen.

Die Regierung macht es Geflüchteten aber oft nicht gerade leicht, Arbeit zu finden. Mit der Aktion "Lass mas halt arbeiten!" hat das Bellevue gemeinsam mit Betrieben und Unternehmen gefordert, Arbeitsverbote aufzuheben und den Zugang zu Jobs zu erleichtern. Hat sich eigentlich irgendetwas geändert?

Nein. Die Staatsregierung hat da ihre ziemlich harte Haltung beibehalten, viele Verbände halten dazu die Klappe, anstatt mit der Staatsregierung zu sprechen. Ich gehe aber davon aus, dass sich jetzt mit der neuen Regierung bundespolitisch etwas ändert. Es ist auch wirklich nicht so schwierig, die Leute in Ausbildung zu bekommen. Klar, sie brauchen Deutschkurse. Bei uns haben viele eine Ausbildung, in vielen Fällen werden sie auch vom Arbeitgeber übernommen. Aber dann kriegen sie oft keine eigene Wohnung. Das ist ein großes Problem, denn so bekommen sie auch keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. An dieser Situation könnte auch die Stadt München durchaus etwas ändern.

Die Corona-Pandemie hat die Ausbildungs- und Arbeitssituation für viele Menschen nochmals verschärft. Einige wurden arbeitslos, andere konnten ihre Ausbildung wegen Corona und den Lockdowns nicht abschließen. Welche Beobachtungen haben Sie gemacht?

Die schwierige Ausbildungssituation haben wir bei den Lockdowns durchaus mitbekommen, viele sind aber ganz gut durchgekommen. Allerdings war es häufig kaum möglich, in einer lauten Unterkunft dem Unterricht über das Handy zu folgen. Bei den bereits Beschäftigten waren es meist Migranten, die dann als erstes herausgefallen sind. Einige sind dadurch zurück in die Sozialhilfe gefallen.

Die Corona-Pandemie ist für Menschen, die in Aufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften leben, besonders belastend: Oft mussten sämtliche Bewohner in Quarantäne, auch wenn nur einer positiv getestet wurde. Die Folge: kein Unterricht, kein Job, dazu die oftmals qualvolle Enge.

Ja, die Quarantäne-Politik war bislang tatsächlich eine Katastrophe. Bei jedem neuen Infektionsfall wird in einer Unterkunft die Quarantäne immer wieder verlängert, da gab es tatsächlich Schwierigkeiten. Wichtig wäre gewesen, dass die Leute schnell in kleinere Wohneinheiten und räumlich mit mehr Abstand verteilt worden wären. Klar, die Stadt hat dann auch Räume angemietet, aber auch erst, nachdem es schon gebrannt hat. Mittlerweile hat sich der Umgang mit den Infektionen gebessert. Aber die Situation in den allermeisten Unterkünften ist gleich geblieben. Dort können Infektionen nicht verhindert werden. Für uns ist das auch ein wichtiges Argument: Dass die Stadt von Sammelunterkünften wegkommt und mehr in Richtung privates Wohnen für die Geflüchteten steuert.

Auch das Bellevue war vom langen Lockdown im vergangenen Winter und Frühjahr betroffen. Das Infocafé konnte nicht geöffnet werden, in dem auch Geflüchtete arbeiten.

Es waren alle in Kurzarbeit. Wir sind wirtschaftlich aber mit einem blauen Auge davongekommen. Auch mit den Beratungsangeboten war es schwierig. Irgendwie hat es digital auch funktioniert. Aber es ist natürlich schwierig, wenn die Leute wichtige Papiere in die Beratung mitbringen und man sieht die nur auf dem Bildschirm.

Ein Problem ist ja tatsächlich auch die schlechte technische Ausstattung der Geflüchteten, ob für die Beratungsgespräche oder den Schulunterricht. Im Bellevue gibt es deshalb jetzt auch das Projekt "Refurbish for Refugees - Laptops für Geflüchtete". Wie funktioniert das?

Wir haben damit im vergangenen Sommer angefangen - gemeinsam mit der Caritas und einer Softwarefirma. Man kann seitdem die Geräte bei uns abgeben. Viele junge Leute haben natürlich in der Regel ein Handy, aber damit kann man eben nicht alles machen. Es soll übrigens jetzt auch Einführungskurse für das Arbeiten am Computer geben, zum Beispiel wie man mit Anhängen und PDFs umgeht. Bei Endgeräten hat die Stadt für die Schulkinder eigentlich ganz gut gesorgt. Aber es erreicht leider viele doch nicht. Es gibt zum Beispiel viele Leute, die Deutsch lernen oder an einer Abendschule teilnehmen, die können sich aber keinen PC leisten.

Gerade in München gibt es auch viele Beratungsangebote, ob vom Sozialreferat, Initiativen, sozialen Organisationen oder Vereinen. Wie werden die denn angenommen?

Es gibt wirklich viele Angebote für Menschen, die in München wohnen, auch seitens der Stadt. Es existiert ein starkes Netzwerk. Das gibt es allerdings auf dem Land nicht so.

Welche Erfahrungen bei der Arbeit mit Geflüchteten haben Sie beim Bayerischen Flüchtlingsrat mit München im Vergleich zu anderen bayerischen Städten gemacht?

In Großstädten wie Augsburg, Nürnberg, Regensburg, da funktioniert es eigentlich. In München kann man im Vergleich zu anderen Gegenden Bayerns auch mit der Ausländerbehörde ganz gut kommunizieren. Sie versuchen dort auch zu sehen, wie man Geflüchtete unterstützen kann.