"Viele sprechen nicht mehr, hören auf zu Laufen"
Heute hatte ich ein Treffen mit der Kinderpsychologin Katrin Glatz Brubakk von Ärzte ohne Grenzen was mich sehr tief bewegt hat. Es fällt mir schwer überhaupt darüber zu schreiben, während ich hier im warmen Haus sitze und an heute Morgen zurückdenke.
Katrin hat mir die Klinik gezeigt und mir viel darüber berichtet wie es den Kindern geht. Dass viele Kinder nicht mehr sprechen, plötzlich aufhören zu laufen, nicht mehr spielen, schlafwandeln, sich ritzen oder sich versuchen selbst das Leben zu nehmen über 50 versuchte Selbstmorde hat es von Minderjährigen gegeben. Sie erzählt mir, dass die Kinder selbst sagen, dass sie keine Zukunft oder kein Leben mehr haben. Dass sie panische Angst haben, vor Regen, vor Wind, dass ihr Zelt wie andere Zelte beim Wind zusammenbricht, oder wieder ein Feuer kommt.
Die Panik und das Trauma der Kinder sind allgegenwärtig. Parallel kämpfen auch die Eltern mit ihrem Trauma und posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen. Katrin sagt ganz offen, dass das Camp die Menschen und vor allem die Kinder krank macht. Dass es keinen Spielplatz oder überhaupt einen Schutzraum gibt, in dem die Kinder einfach so frei und ungezwungen spielen können. Die Ärzte würden alles geben um irgendwie zu helfen, aber es sei sehr schwer, wenn sich die Lebensbedingungen nicht ändern würden. Solange die Kinder keinen Schutzraum haben um ihre Traumata zu verarbeiten sei es schwierig. Ich denke dabei an mein Gespräch mit Fabiola, die letztes Jahr im März ihren Patienten in Moria Ingwer verteilt hat und sie gebeten hat Nachts einen Tee zu trinken. Damals sagte sie mir, dass es nicht wirklich möglich ist erfolgreich Menschen physiotherapeutisch zu behandeln, solange sie im Nassen schlafen. Ihre Muskeln sind kalt und hart und werden nicht mal während der Sitzungen warm. Und wenn die Menschen im Anschluss wieder ins Kalte kommen und jede Nacht in Nassen Decken schlafen, dann ist die Erfolgschance schmerzfrei zu werden recht klein. Ähnlich stelle ich mir das bei einer Kinderseele vor. Die da liegt im kalten und nassen Wie soll die irgendwie heilen?
Über 100 Kinder stehen auf der Warteliste für einen Therapie Platz bei den 4 Psychologen. Tendenz steigend.
Außerdem hat sie mir die bittere Info gegeben, dass die Hebammen in der Klinik wöchentlich ein Opfer von Vergewaltigung behandeln. Frauen, sowie auch Männer. Ich bin geschockt, weil ich dachte, dass das neue Moria irgendwie sicherer sei.
Karin teilt mir mit, dass sie nach 6 Jahren Moria auch an ihre eigene Belastbarkeitsgrenze kommt. Es ist unerträglich zu wissen, dass es eine bewusste Entscheidung ist, dass die Kinder so Leben müssen. Dass man das vermeiden könnte, es aber nicht tut. Es fällt ihr mittlerweile schwer, wenn sie sieht wenn es regnet oder wenn es stürmt, wie heute. Weil sie weiß, was das mit den Kindern macht.
Als ich mich von ihr verabschiede bin ich traurig. Wir haben ihr Interview auf Video und ich bin froh, dass es auch Spezialisten wie sie gibt, die so klar und offen sprechen. Ich hoffe sehr, dass Viele ihre Worte im Film hören werden. Aber gleichzeitig tut es mir weh, wenn ich erkenne, dass ich mit meinen persönlichen Einschätzungen richtig liege. Irgendwie wünsche ich mir, dass das alles nicht passiert.
Es ist unerträglich zu wissen, dass Viele so leiden, es ist nicht richtig. Und es ist unfassbar, das selbst alarmierende Reports von renommierten Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen die Verantwortlichen nicht ins Tun bewegen.