Leuchtende Beispiele
SchlaUSchule München - Lehrer mit Geflüchtetem

Ganz schön SchlaU!

Wie ein bundesweit einmaliges und mehrfach preisgekröntes Projekt mit Hilfe von Ehrenamtlichen Flüchtlingen eine neue Zukunft aufzeigt

Freiwillige mit Geflüchtetem ©SchlaU Schule München

Die SchlaU-Schule wurde im Jahr 2000 als SchlaU-Projekt des Vereins Trägerkreis Junge Flüchtlinge e. V. gegründet. Ziel der SchlaU-Schule in den Anfangsjahren war es, jugendlichen Geflüchteten die Möglichkeit zu bieten einen Deutschen Schulabschluss zu erwerben: Aufgrund eines Konflikts im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und dem SGB XIII (Jugendhilfegesetze) wurden in Bayern zu dieser Zeit auch 16- und 17-jährige Jugendliche wie Erwachsene behandelt, d.h. sie waren nicht mehr schulpflichtig und durften in der Zeit ihres Asylverfahrens auch keine Regelschule besuchen.

Die SchlaU-Schule war in dieser Zeit die einzige Möglichkeit für geflüchtete Jugendliche in München überhaupt eine Schule zu besuchen. Mit neuen Asylgesetzen im Herbst 2015 wurden neue Regelungen getroffen und der Gesetzeskonflikt beseitigt. Die SchlaU-Schule ist heute eine Bildungseinrichtung, an der junge Geflüchtete ihre Berufsschulpflicht absolvieren können. Neben der Vermittlung des Unterrichtsstoffs sind die Stärkung der Persönlichkeit der Jugendlichen und deren Vorbereitung aufs Berufsleben Ziele der SchlaU-Schule. Die Finanzierung der SchlaU-Schule ist zu ca. 80 % öffentlich und zu 20 % aus privaten Spenden.

Maria Tyroller ist Referentin für bürgerschaftliches Engagement an der SchlaU-Schule und erläutert im Interview die sehr wichtige Unterstützung der Schülerinnen und Schüler durch freiwillige Helfer.

W-in-M: Wie viele Jugendliche mit Fluchthintergrund besuchen aktuell die SchlaU-Schule?

Maria Tyroller (MT): Aktuell besuchen ca. 300 Jugendliche und junge Erwachsene die SchlaU-Schule an unseren beiden Standorten in der Schwanthalerstr. 2 und in der Schillerstraße 7. In der Schillerstraße sind die Anfängerklassen untergebracht mit insgesamt 65 Schülerinnen und Schülern. Bis vor wenigen Jahren hatte dieser Standort auch einen eigenen Namen: ISuS-Schule (Abk. für Integration durch Sofortbeschulung und Stabilisierung). Im Standort Schillerstraße gibt es auch Jugendliche, die noch alphabetisiert werden. Die anderen 235 Schülerinnen und Schüler besuchen den Standort in der Schwanthalerstr. Hier gibt es Grundstufenklassen, eine Förderstufe, Mittelstufenklassen und verschiedene Abschlussstufenklassen.

W-in-M: Warum müssen vereinzelt jugendliche Geflüchtete alphabetisiert werden. Gibt es keine Schulen in deren Herkunftsländern?

MT: Die Jugendlichen kommen aus ganz verschiedenen Herkunftsländern und je nachdem hatten sie die Möglichkeit eine Schule zu besuchen oder auch nicht.

W-in-M: Aus welchen Ländern stammen die Jugendlichen, die die SchlaU-Schule besuchen und wie alt sind sie?

MT: Das Durchschnittalter unserer Schülerinnen und Schüler beträgt derzeit 20 Jahre. Die meisten unserer Jugendlichen sind zwischen 16 bis 23 Jahre alt. Ein paar sind mit ihren Familien in Deutschland, andere sind unbegleitet gekommen. Die Herkunftsländer sind sehr unterschiedlich. Zu den größten Gruppen in Bezug auf die Nationen gehören Somalia, Eritrea, Irak und Afghanistan. Die Gruppe der Jugendlichen aus Afghanistan ist mit ca. 30-40% die mit Abstand größte.

W-in-M: Wie lange gehen die Jugendlichen an der SchlaU-Schule insgesamt zur Schule?

MT: Durchschnittlich zwei bis drei Jahre. Die Schülerinnen und Schüler müssen am Anfang einen Einstufungstest machen. Je nachdem wie dieser ausfällt starten sie in der SchlaU-Schule. Es gibt eine Alphabetisierungs-, eine Grund-, eine Mittel- und eine Abschlussstufe. Immer wieder gibt es auch Jugendliche, die in ihrem Herkunftsland bereits einen Schulabschluss erworben haben. Diese können dann teilweise direkt in der Abschlussstufe einsteigen. Abschlüsse, auf die die Jugendlichen in der SchlaU-Schule vorbereitet werden, sind der erfolgreiche sowie der qualifizierende Mittelschulabschluss und die mittlere Reife. Die Abschlüsse selbst legen sie extern an städtischen Schulen ab. Die SchlaU-Schule hat momentan noch den Status einer Bildungseinrichtung, d.h. wir können nicht die offiziellen Prüfungen abnehmen, nur in Kooperation mit städtischen Schulen.

W-in-M: Was machen die Jugendlichen, wenn sie die SchlaU-Schule beendet haben?

MT: Die meisten machen eine Ausbildung. Es gibt bei SchlaU eine eigene Abteilung (SchlaU-Übergang Schule-Beruf), die sich um die Nachbetreuung ehemaliger Schülerinnen und Schüler kümmert und teilweise auch die derzeitigen Schülerinnen und Schüler auf den Übergang von der Schule in den Beruf vorbereitet. Das Mitarbeiterteam, welches diesen Übergang begleitet, geht bereits in die Abschlussklassen und informiert die Jugendlichen über Nachbetreuungsmöglichkeiten und Unterstützung während der Ausbildung. In der Ausbildung entstehen manchmal Probleme, weil der Unterricht an ganz normalen Berufsschulen nicht unbedingt darauf abgestimmt ist, dass manche der Jugendlichen Deutsch erst kürzlich als Zweitsprache erworben haben.  Die Schülerinnen und Schüler sind oft nicht an das Lerntempo dort gewöhnt. Deshalb ist es für sie wichtig, dass sie sich bei Bedarf beim Team von Übergang Schule-Beruf melden und durch zusätzliche Nachhilfe unterstützen lassen können.

W-in-M: Die SchlaU-Schule unterstützt die Jugendlichen auch sehr stark mit ehrenamtlichen Helfern. Was ist deren Aufgabe?

MT: Zum einen gibt es die Lernpatenschaften. Das ist der größte Bereich. Bei Lernpatenschaften werden die Schülerinnen und Schüler individuell durch eine/n Ehrenamtliche/n unterstützt. Lernpatinnen und Lernpaten treffen sich in der Regel einmal in der Woche mit ihren Schützlingen. Sowohl die derzeitigen Schülerinnen und Schüler als auch Ehemalige können dieses Angebot in Anspruch nehmen. Dann gibt es die Hausaufgabenbetreuung. Das ist ein zweistündiges, offenes Betreuungsangebot am Nachmittag. Von Montag bis Donnerstag hilft jeweils ein Tandem aus einer SchlaU-Lehrerin bzw. einem SchlaU-Lehrer und einer Ehrenamtlichen bzw. einem Ehrenamtlichen den interessierten Jugendlichen bei ihren Hausaufgaben. Die Jugendlichen können bei Bedarf einfach vorbeikommen. Außerdem gibt es für die Anfängerklassen in der Schillerstraße ein Leseprojekt, bei dem jede Woche andere Schülerinnen und Schüler aus einer Klasse die Zeit bekommen, Ehrenamtlichen ca. 20 Minuten einen Text vorzulesen. Zum laut Lesen üben fehlt im Unterricht häufig die Zeit. Ehrenamtliche, die sich projektmäßig engagieren wollen, haben bei uns die Möglichkeit unsere Jugendlichen bei der Berufsorientierungswoche jedes Jahr im November zu unterstützen. In dieser Woche werden Jugendliche von Ehrenamtlichen angeleitet, wie sie im Internet Informationen zu einem Berufsbild recherchieren können. Außerdem haben wir auch Kooperationen mit Organisationen und Firmen, deren Mitarbeitende sich ehrenamtlich, etwa im Rahmen von Trainings, engagieren. Bei Bewerbungstrainings z.B. lernen Jugendliche das Erstellen von Bewerbungen und wie man Gespräche führt. Vereinzelt gibt es auch Austausch-Projekte, derzeit zum Beispiel mit einer Schulklasse eines Münchner Gymnasiums, die sich im Rahmen ihres Praxis-Seminars mit einer unserer Klassen zu verschiedenen Aktionen verabredet.

Freiwillige mit Geflüchtetem ©SchlaU Schule München

W-in-M: Gibt es vielleicht ein konkretes Beispiel von SchlaU-Schülerinnen oder SchlaU-Schülern, die durch die Unterstützung von Ehrenamtlichen profitiert haben?

MT: Es gibt wirklich viele Jugendliche, die sehr stark von dem Engagement unserer Ehrenamtlichen profitieren. Vor ein paar Jahren besuchten zwei Schwestern die SchlaU-Schule, welche beide aktuell ihr Fachabitur machen und heute erzählen, dass die Nachhilfe von Ehrenamtlichen damals sehr wichtig war für sie. Der Kontakt zu Ehrenamtlichen hat ihnen einen Kontakt zur Münchner Stadtgesellschaft ermöglicht, was für beide sehr motivierend war. Diese beiden Schwestern geben jetzt selber Nachhilfe an der SchlaU-Schule.

W-in-M: Wohin können sich interessierte wenden, die geflüchtete Jugendliche an der SchlaU-Schule unterstützen möchten?

MT: Engagement-Interessierte können sich sehr gerne telefonisch unter 089 – 411 193 141  oder ehrenamt [at] schlau-schule.de (subject: Interesse%20an%20ehrenamtlichem%20Engagement, body: Liebe%20Frau%20Tyroller%2C%0Adurch%20das%20Magazin%20von%20Willkommen-in-M%C3%BCnchen.de%20habe%20ich%20von%20den%20M%C3%B6glichkeiten%20des%20Engagements%20bei%20der%20SchlauSchule%20erfahren.) (per Email )direkt an mich wenden.

W-in-M: Vielen Dank für das Interview.