Aktuelles aus München
Sophie Johnke und Michael Pfaff bei ReDi School ©Marina Lessig

Neu in München: ReDi School

Ein Social StartUp aus Berlin hilft Flüchtlingen Fuß in der Tech-Branche zu fassen. Das RAW hat sie nach München geholt.

Netzwerken über den Tellerrand hinaus ist wichtig - denn häufig entstehen gerade in Städten in welchen die Finanzierungslage der Flüchtlingshilfe miserabel ist äußerst kreative und innovative Lösungen. Ein Projekt, dass ich vor einem halben Jahr noch über das migrationHUB in Berlin kennengelernt habe, hat sich nun in München niedergelassen: ReDi School.

Fachkräftemangel und Flüchtlinge zusammenbringen

Das Prinzip ist recht einfach:
Auf der einen Seite besteht bereits akut ein sehr hoher Fachkräftemangel im Bereich IT. Bis 2030 wird ein riesiges Vakuum in Deutschland und Europa erwartet. Für talentierte Quereinsteiger ist die Branche deshalb offen. Anstellungs- und Gehaltsaussichten in diesem Bereich sind bestens.
Auf der anderen Seite gibt es viele Flüchtlinge aus Somalia, Syrien und anderen Ländern, welche bereits IT-Kenntnisse besitzen, deren formale Qualifizierungen aber dann nicht mal für einen Quereinstieg reichen, wenn es überhaupt Zertifikate gibt.
„Es gibt in diesem Feld unglaublich gute Eigendidakten. Die Leistung ist erstaunlich. Genau solche Brains werden gesucht, denn sie denken nicht in fertigen Systemen, sondern sind echte Entwickler, die ein Unternehmen zukunftsfähig machen“, erzählt Sophie Jonke.

Bei Facbeook auf der Couch

Sophie Jonke ist Mitarbeiterin bei ReDiSchool in München. ReDiSchool greift die guten Jobchancen in der IT und das Talent von Flüchtlingen auf. Mit Qualifizierungskursen sorgt ReDiSchool dafür, dass es Flüchtlingen möglich ist einen gute Jobeinstieg zu finden.
Entstanden ist die gGmbH in Berlin. Deshalb sitzen wir zum Gespräch im Oktober noch im Facebook HUB am Potsdamer Platz. So simpel die Idee von ReDiSchool ist, scheint sie vorher niemand anderes so konsequent angegangen zu sein. Innerhalb kürzester Zeit sahnte das Social Start Up verschiedenste Preise ab. Auch der Bundeskanzlerin durfte man schon die Hand schütteln. Und so kam es auch, dass die Einladung von Facebook kam und Sophie, Michael Pfaff von den Münchner Freiwilligen - Wir helfen e.V. und ich in einem fancy Coworking Space zwischen lauter Programmierern und TechStartUps auf einer Couch sitzen und einen Panoramablick auf die Bundestagskuppel und die Hauptstadt genießen. Alle sind hier entspannt, das Ambiente durchgestylt und gemütlich - es könnte auch ein schickes Studentenwohnheim sein. Nur dass es auf der Toilette sogar einen Mundwasserspender und frische Gläser dazu anbietet, verrät, dass bei manchen Gesprächen hier ums große Geld geht.

Seit 1.Dezember in München

Sophie ist eine lebenslustige junge Frau mit langen blonden Haaren, die erst kürzlich zu ReDiSchool kam. Vorher war sie bei einem anderen großen StartUp Accelorater in Berlin angestellt. Doch die gebürtige Münchnerin strebte nach mehr Sinn in ihrem Job und hatte Heimweh. So kam es, dass RediSchool bei einer der Preisverleihungen von dem Münchner Referat für Arbeit und Wirtschaft angesprochen wurde, in München einen neuen Standort zu eröffnen - und Sophie das seit November als Verantwortliche in die Hand nimmt.
„Gerade haben wir eine temporäre Bleibe im Coworking Space der DLD bei burda. Aber möglichst zeitnah suchen wir was eigenes.“ Nicht ganz so einfach in München hat Sophie schon festgestellt. Auch nicht für ein hochkarätiges Projekt. Der Standort München sei ideal: „Hier gibt es tolle Hochschulen mit denen wir kooperieren könnten. Das Referat für Wirtschaft in München hat sich wirklich viel Mühe gegeben die nötigen Anreize zu bieten, damit sich unser Konzept auch hier mit den eigenen kommunalen Regeln realisieren lässt. Und in München sitzen ja ganz viele Firmen die für uns relevant sind. Da hat man auf der einen Seite sicherlich Siemens, Google, Wayra, Oracle oder Microsoft. Aber eben auch BMW, Osram, die Münchner Rück oder die UniCredit. Alles Branchen in denen die Digitalisierung massiv voranschreitet und dringend gute Leute gebraucht werden.“

 

Früher ReDi School, heute Unternehmer: Omar, Ghaith & Munzer

Kein Angebot für alle

Wer bei ReDiSchool mitmachen möchte als Geflüchteter muss aber natürlich Voraussetzungen erfüllen. Gewisse Grundkenntnisse muss man mitbringen und gut Englisch sprechen können. „Die Branche spricht nur Englisch, Programme in Deutsch als Hauptsprache machen für uns aus Branchengründen keinen Sinn.“ ReDiSchool ist somit kein Projekt für Beginner. Wer die Grundlagen von Microsoft Office erlernen möchte, um z.B. eine Bewerbung oder einen Lebenslauf zu schreiben, der ist momentan besser beispielsweise bei den Integrationslotsen der Malteser aufgehoben, die mit Ehrenamtlichen entsprechende Kurse anbieten.

Den ersten Informationsabend für geeignete Geflüchtete hat Sophie bereits gemacht. Es werden aber noch einige kommen, damit der erste Jahrgang in München gut besetzt ist. Dabei ist sie auf die Mithilfe von Helferkreisen, Unterkunftsträgern und anderen Netzwerkern angewiesen. „Die Szene muss an geeignete Flüchtlinge streuen, dass es dieses Angebot gibt. Ich bin neu hier und tue mir zu Fuß eher schwer. Ich finde es aber toll wie viel Unterstützung ich bereits bekomme. Beim Welcome Café oder bei Münchner Freiwillige hieß es sofort: kein Problem. Wir nutzen unsere Verteiler gerne um die Info zu verbreiten.

Auch Ehrenamtliche sind bei Sophie gern gesehen. Sie sollten am besten selbst in dem Bereich IT beruflich zu hause sein oder sich z.B. in diesem Umfeld engagieren. Ob Mitarbeiter bei einer Firma wie salesforce oder aktiv im CCC, Sophie findet es toll, wenn die Jahrgänge sich lebendig gestalten lassen und dabei echte Kontakte entstehen. Wie so ein Engagement dann im konkreten Fall aussieht, muss man in einem Gespräch jedes Mal individuell besprechen.

Vom Asylbewerber zum Unternehmer

Aber nicht alle Flüchtlinge bei ReDiSchool finden im Anschluss einen Job - sondern manche werden richtig erfolgreiche Entrepreneurs! Omar zum Beispiel der gemeinsam mit zwei Freunden die App buerocrazy programmiert hat. Irgendwann kannte sich der Syrer im Antrags- und Ämterdschungel Berlins nicht mehr aus. Wohin für Anmeldung von Wohnsitz, Kindergeld warum von wem… Mit der Idee seinen Landsleuten bei der Integration und dem Asylverfahren helfen zu wollen, entwickelte er die App. Ana von migrationHUB half ihm dabei ein Geschäftsmodell daraus zu entwickeln und bei RediSchool vertiefte er seine Programmierfähigkeiten. Inzwischen ist buerocrazy ein erfolgreiches StartUp, das von vielen Berlinerinnen und Berlinern genutzt wird. Es sagt einem für was zu welchem Amt, hat das Antragsformular direkt parat, hilft automatisch beim ausfüllen, speichert relevante Informationen für die kommenden Anträge und schickt alles schon mal an die zuständige Stelle oder den Sachbearbeiter bzw. die Sachbearbeiterin bevor man zum Termin geht. „ReDiSchool hat uns geholfen nicht nur die Programmierkenntnisse zu haben, sondern auch das nötige Selbstbewusstsein und Netzwerk“, sagt Omar. Auch er hat schon von Angela Merkel einen Preis verliehen bekommen. Gerade sucht er einen Investor um expandieren zu können.

Die nächste Stadt: “Eindeutig München.“

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