Aktuelles aus München
Mitglieder des Migrationsbeirats ©Münchner Migrationsbeirat

Komm, mach mit, wenn du darfst

Ein Viertel der Stadtbevölkerung kann nicht Wählen. Colin Turner über die Arbeit des Münchner Migrationsbeirats, Wahlbeteiligung und Teilhabe.

Zeig mir deinen Pass und ich sag' dir, ob du wählst

Gesellschaftliche Teilhabe und demokratische Mitbestimmung sind fest miteinander verbunden. Die Möglichkeit an Wahlen teilzunehmen und dadurch den Stadtrat und die Parlamente mitzubestimmen ist einer der wichtigsten Grundlagen unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Das allgemeine Wahlrecht ist jedoch, wie wir alle wissen, an die Staatsbürgerschaft geknüpft.

421 832 Münchner*innen, oder rund 27,6% der Stadtbevölkerung, besaßen 2017 jedoch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. Nochmals über 16% der Einwohner*innen sind Deutsche mit sogenanntem Migrationshintergrund. Viele Leben schon lange in München und wurden hier – so wie ich –  vielleicht schon geboren und für noch mehr ist München der Ort ihrer Zukunft. München ist die Stadt, in der sie Kinder großziehen werden und alt werden wollen oder einfach auch den nächsten Lebensabschnitt begehen werden. Wenn jedoch über ein Viertel der Bürger*innen von der politischen Teilhabe ausgeschlossen werden, dann ist das ein Problem. Nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Stadtgesellschaft an sich.

Je mehr mitmachen, desto mehr Demokratie

Um dieser und anderen Lücken der Teilhabe entgegenzuwirken wurde 1974 der Ausländerbeirat (heute Migrationsbeirat) von der Stadt ins Leben gerufen.

Für alle nicht EU-Bürger*innen stellt der Migrationsbeirat bis heute die einzige Möglichkeit dar, durch die Teilnahme an Wahlen auf die demokratische Willensbildung der Stadt Einfluss zu nehmen. Der Beirat vertritt ihre Anliegen direkt und schließt so einen Teil des Demokratiedefizits, das durch das Spannungsverhältnis zwischen dem Staatsbürgerschafts- und Wahlrecht der Bundesrepublik und der Lebensrealität einer modernen und diversen Großstadt entsteht.

 

Münchner Migrationsbeirat – Einsatz für Vielfalt seit 1974

Der Migrationsbeirat ist ein politisches Gremium aus 40 ehrenamtlichen Mitgliedern. Diese werden von den Münchner Migrant*innen für sechs Jahre gewählt. Wahlberechtigt ist, wer mindestens seit sechs Monaten seinen Erstwohnsitz in der Kommune hat. Damit ist der Beirat auch die demokratische Vertretung für Geflüchtete und Bürger*innen mit Fluchthintergrund, ebenso wie für alle Arbeitsmigrant*innen oder Nachkommen der sogenannten „Gastarbeiter“-Generation, die in den 70iger Jahren noch im Fokus standen.

Partizipation stärken, Integration ermöglichen

Der Migrationsbeirat nimmt zu Beschlüssen und Vorhaben der Stadt Stellung und stellt Anträge an den Stadtrat und die Stadtverwaltung. Er dient der Stadt als Anlaufstelle für alle Fragen, die Migrant*innen in München betreffen, aber dient auch als Anlaufstelle für Ausländer*innen, Geflüchtete und Migrant*innen für ihre Anliegen und Probleme.

Mit seinem Budget fördert er jährlich rund 120 Integrationsprojekte. In Kooperation mit der Stadt und mit Vereinen werden auch Veranstaltungen und Fachtage zu aktuellen Themen wie FGM, Asylrechtsverschärfungen oder interkulturelle Öffnung organisiert. Er pflegt Kontakt zu den verschiedenen ausländischen Vereinen und Organisationen, Religionsgemeinschaften und Interessensgruppen. Damit ist der Beirat die Brücke zwischen ausländischer Bevölkerung, Stadtverwaltung und Politik.

Und letztendlich artikuliert er politische Forderungen im Sinne aller, die nicht abstammungsdeutsch sind. Er engagiert sich für eine rassismus- und diskriminierungsfreie Stadtgesellschaft, für die Belange von Geflüchteten und für Integrationsperspektiven auf Augenhöhe.

Der Migrationsbeirat ist ein beratendes Gremium und keine eigenständige Volksvertretung – steht also nicht ganz auf Augenhöhe in der kommunalen Politik. Das ist kein adäquater Ersatz für volle politische Teilhabe. Daher machen wir uns natürlich für das kommunale Wahlrecht für alle hier Lebenden stark – unabhängig von der Herkunft und Nationalität der Person.

Autor*In:
Colin Turner