Gesetze und Grundlagen
Asylberatung bei ArrivalAid in München

Biografien erzählbar machen

ArrivalAid unterstützt Asylsuchende beim Anhörungs- und Klageverfahren. Ausgebildete Ehrenamtliche begleiten Geflüchtete durch den oftmals langwierigen Prozess.

Wie kann man das Unerzählbare erzählbar machen? Wie kann man die mitunter schlimmsten Ereignisse im Leben in Worte fassen? Das ist eine Herausforderung, die alleine kaum zu bewältigen ist. Und dennoch sind diese Geschichten entscheidend im deutschen Asylverfahren.

Das Asylverfahren ist die einzige Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel in Deutschland zu erhalten. Und es ist eine große Herausforderung. Denn, und das ist vielen nicht bekannt: Nicht die politische Lage im Herkunftsland oder die Integrationsbereitschaft sind entscheidend, ob Asyl gewährt wird oder nicht. Vielmehr sind die persönlichen Geschichten der Geflüchteten sowie die Tatsache, ob in der Heimat Gefahr für Leib und Leben bestand, auschlaggebend. Das bedeutet: Die Asylbewerber*innen müssen ganz genau darlegen, was sie in der Vergangenheit dazu bewegt hat, zu fliehen.

Das ist harter Tobak. Denn fast jede/r Geflüchtete leidet unter schweren Traumata, über die man am liebsten nie wieder reden würde. Und vor allem nicht mit einer fremden Person, in einer fremden Behörde, in einem fremden Land.

Unterstützung im Asylverfahren

Schon früh hat die gemeinnützige Organisation ArrivalAid erkannt: Hier ist Handlungsbedarf dringend nötig. Seit 2015 bildet ArrivalAid Ehrenamtliche aus, die Geflüchtete beim Asyl- und mittlerweile vor allem Klageverfahren begleiten. Allein in München wurden bisher über 1500 Asylbewerber*innen unterstützt.

Die Hauptaufgabe der freiwillig Engagierten: Gemeinsam mit den Geflüchteten die Biografie erzählbar machen. Zu ermutigen, auch die schmerzhaften Dinge preis zu geben, um nicht aus Scham die Chance auf einen Aufenthaltstitel zu verwirken. Denn was nicht erzählt wird, kann auch nicht in die Entscheidung miteinbezogen werden, ob Asylrecht vorliegt oder nicht. Die Wichtigkeit der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) muss also unbedingt deutlich gemacht werden.

Besonders wichtig ist ebenfalls, nach der Anhörung das verfasste Protokoll zu überprüfen und es sich gegebenenfalls in die Muttersprache zurückübersetzen zu lassen. So kann sichergestellt werden, dass die Aussagen richtig aufgefasst und protokolliert wurden. Oder aber, dass sie korrigiert werden müssen. „Denn“, so erzählt Paul Kuhlmann, Politologe und Mitarbeiter von ArrivalAid bei einer Schulungsveranstaltung „später bildet nur das Protokoll die Entscheidungsgrundlage, nicht etwa zusätzlich noch die persönliche Einschätzung des/der BAMF-Mitarbeiter*in.“

Klage gegen den Asylbescheid

Aktuell stehen in der ehrenamtlichen Arbeit jedoch weniger die Anhörungsverfahren, sondern vielmehr die Klageverfahren gegen den Asylbescheid im Vordergrund. Dabei ist insbesondere wichtig, die Fristen zur Klage nach negativem Asylbescheid einzuhalten. Auch sollte die Begründung des Asylbescheids genau überprüft werden, um festzustellen, woran genau die negative Entscheidung festgemacht wird. Anhand dessen können die Widersprüche zu dieser Beurteilung ausgearbeitet werden.

Der Gerichtstermin zur erneuten Verhandlung des Falls sollte auf jeden Fall als neue Chance wahrgenommen werden. Denn die Entscheidung über das Bleiberecht liegt dann bei dem/der Richter*in. In der Verhandlung haben die Geflüchteten auch erneut die Möglichkeit, sich zu ihrer Geschichte zu äußern und ausführlich darzulegen, was ihnen passiert ist. „Von diesem Recht sollten sie auch Gebrauch machen“ sagt Kuhlmann. Zudem empfiehlt er den Geflüchteten, vor dem eigenen Termin der Verhandlung eines/einer anderen Geflüchteten beizuwohnen. „Dadurch bekommt man schon mal ein Gefühl, wie das Ganze ablaufen wird und Ängste können genommen werden.“

Die Ausbildung der Ehrenamtlichen ist ArrivalAid besonders wichtig. Zunächst wird geprüft, ob die Ehrenamtlichen in der Lage sind, diese teilweise sehr aufreibende Aufgabe zu übernehmen. Wenn das geklärt ist finden regelmäßig Wochenendworkshops zur Ausbildung für die Anhörungs- und Klagevorbereitung statt. Auch kontinuierliche Supervisionen für die Ehrenamtlichen sind der Organisation sehr wichtig. Besonders ist auch, dass jeder „Fall“, der von einem/einer Ehrenamtlichen übernommen wird, eine/n hauptamtliche/n Ansprechpartner*in im Team hat.

Mit der Arbeit von ArrivalAid wird die Wichtigkeit des Bürgerschaftlichen Engagements ein weiteres Mal bestätigt. Es zeigt sich erneut, wie elementar in Deutschland zivilgesellschaftliche Teilhabeprozesse sind, um Menschen in benachteiligten Situationen nicht sich selbst zu überlassen.

Unter folgendem Link https://www.arrivalaid-muenchen.org/anfrage-anhrungsbegleitung können sich Personen, die sich für eine Anhörungs- oder Klagebegleitung im Raum München interessieren, anmelden.