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Eingangstür und Hausnummer Karlstraße 22 München

Rückblick auf die Schließung der Unterkunft in der Karlstraße

Gut zehn Wochen ist es nun her, dass die Unterkunft in der Karlstraße 20-22 geschlossen hat. Wie erging es Bewohnern und Ehrenamtlichen mit der Schließung?

Was bedeutet es, sich in seinem Engagement von einem Ort und von Menschen zu verabschieden? Zwei, die sich mit Wechsel, Abschied und Neuanfang in der Flüchtlingsarbeit auskennen, geben uns einen kleinen Einblick. Elizabeth-Ellen Holland, eine treue Ehrenamtliche, und Farahnaz Nejadensan, Ehrenamtskoordinatorin, – beide bei der Inneren Mission – berichten, wie sie die Schließung der Unterkunft in der Karlstraße erlebt haben und davon, wie es weitergeht.

Die Unterkunft in der Karlstraße schließt

Im September 2016 hatte die Unterkunft in der Karlstraße eröffnet und nach den Plänen der Stadt sollte sie auch noch einige Zeit in Betrieb sein. Seit November 2017 jedoch hatte es aufgrund eines Wasserschadens immer wieder Probleme mit den Sanitäranlagen gegeben. Längst konnten einige nicht mehr genutzt werden. Dennoch überraschend ereilte alle Beteiligten Mitte März die Nachricht, dass die Unterkunft zugemacht wird und dies schon sehr schnell. Zuletzt lebten hier ca. 90 geflüchtete Menschen; seit Herbst letzten Jahres hauptsächlich Männer.

Am Freitag, den 30. März, vor dem endgültigen Auszug der Innere Mission am 4. April, sind die letzten Bewohner ausgezogen. Zwei Wochen vorher – so berichtet Farahnaz von der Inneren Mission – waren schon zwei große Gruppen von Geflüchteten in andere Unterkünfte auch außerhalb Münchens verlegt worden.

Auch die Ehrenamtlichen erreicht die Nachricht der Schließung sehr kurzfristig

Auch die ehrenamtlich Tätigen haben nur sehr kurzfristig erfahren, dass die Unterkunft zugemacht wird. Es war zufällig in diesem Zeitraum ein Austauschtreffen für die Freiwilligen angesetzt gewesen, dass sich kurzerhand in ein Abschlusstreffen wandelte. Man tauschte sich nun nicht über die eigenen Angebote und Erfahrungen in der Karlstraße aus, sondern sprach auch über Abschied und neue Pläne. Man überlegte gemeinsam und kam ins Gespräch darüber, wo man zukünftig aktiv sein könnte.

Mit Unterstützung und Beratung durch die Ehrenamtskoordinatoren haben die Freiwilligen sich zum großen Teil wenig später auf andere Unterkünfte, die von den Mitarbeitern der Inneren Mission betreut werden, in Trägerschaft der Inneren Mission verteilt.

Licht und Schatten von Wechsel

Betroffen war auch Elizabeth-Ellen Holland, die sich schon seit 2014 ehrenamtlich für Geflüchtete engagiert. Gern hört man ihr zu, wie sie mit ganz leichtem Akzent, der ihre eigene Migrationsgeschichte erahnen lässt, erzählt. Sie fasst in Worte wie sie damals zur ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe gekommen ist. Ein Zeitungsartikel habe sie angesprochen und sie zunächst in die Kleiderkammer in der Bayernkaserne geführt. Recht schnell wechselte sie dort ins Haus 45 und bot dort hauptsächlich eine Nähwerkstatt an, die von den Bewohnern sehr gut angenommen wurde.

Elizabeth-Ellen und Farahnaz bekommen leuchtende Augen als sie berichten, wie gut damals in der Bayernkaserne die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Häusern funktioniert hat und wie viel Kontakt zwischen den Ehrenamtlichen und den Bewohnern da war.

Schon damals, als die Erstaufnahme in der Bayernkaserne Ende 2016 geschlossen wurde, stand für Ellen die Entscheidung an, wo und wie sie mit ihrem Engagement weitermachen möchte. Dass sie weitermacht, war ihr klar. Ebenso hatte sie keine Zweifel, wieder in einer Erstaufnahmeeinrichtung tätig sein zu wollen. Es hilft ihr, in ihrem Ehrenamt, keine zu feste Bindung zu den Menschen aufzubauen. „Das Grenzen setzen, dass ich als sehr wichtig erachte, fällt dann leichter“ sagt sie. Sehr reflektiert formuliert sie, was ihr in ihrem persönlichen Engagement wichtig ist, um wirksam und nachhaltig helfen zu können.

Wie ging es damals weiter für Elizabeth-Ellen? Sie hat sich verschiedene Unterkünfte angesehen und sich für die Karlstraße entschieden. Auch hier macht sie Angebote im Handarbeits-Bereich und organisiert Freizeitaktivitäten für und mit den Geflüchteten. Hallenbad, Theater, Kino – verschiedene Angebote stoßen auf reges Interesse und schaffen Verbindung unter Bewohnern. Probleme mit der Hausverwaltung lösen, Kontra geben können Männern und Frauen gegenüber, klar und sensibel sein im Umgang mit Rassismus zwischen verschiedenen Bewohnergruppen – Elizabeth-Ellen erzählt spannend und anschaulich auch von Herausforderungen in ihrem Engagement in der Karlstraße. Farahnaz von der Ehrenamtskoordination ergänzt und betont, an wie vielen Stellen sie das Geben und Nehmen von Ehrenamtlichen und Bewohnern nicht nur in der Karlstraße immer wieder spürt und erlebt.

Nun hat Elizabeth-Ellen wieder einen Wechsel hinter sich, der sie diesmal in die McGraw-Kaserne und die Funk-Kaserne geführt hat. Neue Herausforderungen, organisatorischer und interkultureller Art, die sie gerne annimmt, begegnen ihr hier. Und: Die Anfahrtswege sind mühsamer. Dies ist aber nur ein Grund, aus dem heraus sie lachend sagt „Sollte die Karlstraße wieder aufmachen, gehe ich zurück.“

Autor*In:
Dorothea Curchod